Höhere Kosten und immer weniger preiswerte Wohnungen
Sechs Eckpunkte für eine soziale, gerechte und nachhaltige Politik

30.05.2007 09:00
Rund ein Drittel ihres Einkommens müssen Mieter heute für ihre Wohnung zahlen. Die Wohnkostenbelastung wächst immer weiter, nicht zuletzt wegen steigender Energiepreise und sonstiger Betriebskosten. Gleichzeitig bewegen sich die Neubauzahlen auf niedrigstem Niveau, der soziale Mietwohnungsbau schafft keine Entlastung, und immer mehr Kommunen und Wohnungsgesellschaften verkaufen ihre Bestände an internationale Finanzinvestoren. „Wir brauchen eine aktive Wohnungs- und Mietenpolitik, die diese Negativspirale stoppt, Perspektiven aufzeigt und die Sorgen und Probleme der 50 Millionen Mieter in Deutschland ernst nimmt“, forderte die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes (DMB), Anke Fuchs, auf einer Pressekonferenz zu Beginn des 62. Deutschen Mietertages in Stuttgart.

„Sechs Eckpunkte für eine soziale, gerechte und nachhaltige Politik müssen umgesetzt werden:

 Wohnkostenbelastung stoppen;  preiswerte Wohnungsbestände sichern;  Wohngeld erhöhen;  Energieeffizienz steigern;  Transparenz über Mietnebenkosten herstellen;  Verfassungsrecht auf Wohnen schaffen.“

Wohnkosten

„Der Mietermarkt mit stagnierenden Mieten in Deutschland ist eine Mär. Tatsächlich sind die Wohnkosten in den letzten zwei bis drei Jahren spürbar angestiegen. Verantwortlich hierfür sind unter anderem Preissprünge bei den Betriebs-, insbesondere Heizkosten. Die müssen wir in den Griff bekommen“, sagte Mieterbund-Präsidentin Anke Fuchs. Zwar seien die Kaltmieten in den letzten Jahren durchschnittlich nur um gut ein Prozent gestiegen und hätten damit noch unter der allgemeinen Preissteigerungsrate gelegen. Tatsächlich klafften aber die Entwicklungen auf den unterschiedlichen Wohnungsmärkten in Deutschland stark auseinander. In Großstädten und Ballungszentren, z. B. in Stuttgart, lägen die Mieten teilweise 15, 20 oder gar 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Hinzu komme, dass die Warmmieten seit dem Jahr 2000 bundesweit doppelt so schnell gestiegen seien wie die Kaltmieten. Im letzten Jahr sogar um das Dreifache. „Hauptursache sind die explodierenden Energiekosten. In den letzten beiden Jahren sind die Preise für Öl um 32 bzw. 10,7 Prozent und für Gas um 10,5 bzw. 17,7 Prozent gestiegen. Weitere Gründe sind Marktmacht, Kartelle, aufgeblähte Kostenapparate und undurchsichtige Anbieterstrukturen, zum Beispiel bei Energieunternehmen, Wasserversorgern, Abrechnungsfirmen oder Aufzugsunternehmen, die die Betriebskosten in die Höhe treiben, die etwa 30 Prozent der Wohnkosten verursachen“, so Anke Fuchs. Notwendig seien eine verstärkte Preisaufsicht und Missbrauchskontrollen. Kartellrechtliche Verfahren müssten verstärkt eingeleitet werden. „Parallel werden wir Preiserhöhungen, wie zum Beispiel von Gasunternehmen, vor den Zivilgerichten prüfen lassen.“

Wohnungsbau

„Wir brauchen insbesondere in Ballungsgebieten und Universitätsstädten jährlich rund 130.000 neue Mietwohnungen“, erklärte Anke Fuchs. „Tatsächlich wurden im Jahr 2006 nur 69.362 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern fertig gestellt.“ Positiv sei allenfalls, dass der Negativtrend der letzten Jahre gebremst scheint. Mit insgesamt 248.425 Wohnungen lägen die Fertigstellungen 2006 um vier Prozent über denen des Vorjahres. Im Mehrfamilienhausbereich mache der prozentuale Anstieg sogar 13,9 Prozent aus. „Wir dürfen uns von diesen Zahlen nicht Sand in die Augen streuen lassen. Gut 69.000 neue Mietwohnungen sind die zweitniedrigste Neubauzahl seit 1991“, kommentierte Anke Fuchs. Auch die Wohnungsbaugenehmigungszahlen seien 2006 leicht um 2,9 auf 247.541 angestiegen. Im Mehrfamilienhausbereich bedeuteten 69.653 Einheiten ein Plus von 7 Prozent. „Wenn sich die Wohnungsneubauzahlen in den nächsten Jahren nicht spürbar erhöhen, steuern wir geradewegs auf eine neue Wohnungsnot in den Städten hin“, warnte die Mieterbund-Präsidentin. Der soziale Wohnungsbau verliere von Jahr zu Jahr weiter an Bedeutung. „Aktuell schätzen wir, dass es noch knapp 1,7 Millionen Sozialwohnungen gibt. Der jährliche Neubau von weniger als 20.000 bis 30.000 Mietwohnungen reicht nicht aus, den Wegfall älterer Sozialwohnungen, jedes Jahr etwa 100.000, auszugleichen“, erklärte Anke Fuchs. Insbesondere die Bundesländer müssten hier endlich aktive Wohnungspolitik betreiben. Sie seien die Hauptverantwortlichen für die soziale Wohnraumförderung. Der Bund stelle 550 Millionen Euro zur Verfügung. Viele Bundesländer hätten ihre Ausgaben in den letzten Jahren spürbar reduziert oder sogar auf Null zurückgefahren.

Wohnungsverkäufe

„Wir haben REITs mit Wohnungen verhindert. Wir brauchen aber zusätzlich auch gesetzliche Regelungen, die Spekulationsgeschäfte mit Mietwohnungen und gigantische Schuldenbelastungen der Wohnungsunternehmen durch überwiegend kreditfinanzierte Aufkäufe verhindern. Mieterrechte müssen besser geschützt werden durch verlängerte Kündigungssperrfristen, und nötig sind konkrete Vorgaben für durchzuführende Instandhaltungsmaßnahmen“, forderte Mieterbund-Präsidentin Anke Fuchs. Seit 2004 seien mehr als eine Million Wohnungen – insbesondere Bestände der öffentlichen Hand – an internationale Finanzinvestoren verkauft worden. Das Ziel dieser Wohnungskäufer sei allen Beteuerungen und Versicherungen zum Trotz nicht das Vermietungsgeschäft und nicht das Halten der Wohnungen. Die neuen Eigentümer seien Wohnungshändler. Sie suchten die möglichst schnelle und hohe Verzinsung ihres Kapitals. So seien nach einer aktuellen Studie des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) etwa 230.000 Mietwohnungen bereits weiterverkauft oder sogar schon mehrfach weiterverkauft worden. Instandsetzungs- und Modernisierungskosten würden teilweise drastisch von üblichen 20 bis 25 Euro auf unter 15 Euro und weniger pro Quadratmeter reduziert. So genannte Problemmieter hätten bei den neuen Eigentümern keine Chance. Quartierbezogene Maßnahmen und Stadtentwicklungsmaßnahmen spielten für sie keine Rolle. Soweit durchsetzbar, würden Mieten erhöht. In Berlin beispielsweise seien die Mieten der Wohnungsbaugesellschaft Gehag durchschnittlich um 38,5 Prozent gestiegen, in einzelnen Wohnanlagen bis zu 67,3 Prozent. „Wer Wohnungen wie andere Finanzanlageprodukte kauft und verkauft, handelt gegen die Interessen der Mieter und Bürger. Das haben zwischenzeitlich viele Verantwortliche in den Städten begriffen. Wir werden weiter mit dem Stimmzettel drohen und Bürgerbegehren und Bürgerentscheide initiieren, wie zum Beispiel in Köln, Aachen, Freiburg, Heidenheim, Greifswald usw.“, kündigte Anke Fuchs an.

Wohngeld und Unterkunftskosten

„Das Wohngeld muss um mindestens 15 Prozent erhöht werden“, forderte die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes. Die hierfür notwendigen Kosten lägen bei 144 Millionen Euro im Jahr. Einkommensschwache Haushalte, die nicht ALG II erhielten, zum Beispiel Rentnerhaushalte, würden nicht ausreichend bei ihren Wohnkosten entlastet. Der staatliche Zuschuss zum Wohnen sei seit mehr als sechs Jahren nicht erhöht worden. Die Wohnkostenbelastung der etwa 800.000 Haushalte, die zurzeit Wohngeld bekämen, läge bei etwa 40 Prozent. Haushalte, die die Einkommensgrenzen geringfügig überschreiten, müssten schon schätzungsweise 50 Prozent ihres Einkommens für die Wohnung zahlen. Nach der Einführung von ALG II sei die Zahl der Wohngeldempfänger von rund 4 Millionen auf 0,8 Millionen Haushalte gesunken. ALG-II-Empfänger hätten zwar Anspruch auf Übernahme der angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten. Aber auch hier sei dringender Handlungsbedarf gegeben.„Hunderttausend Gerichtsverfahren, mehrere hunderttausend Widersprüche und nicht nachvollziehbare Entscheidungen der Verwaltung zeigen überdeutlich auf, dass der Gesetzgeber für eine einheitliche Rechtsanwendung der Vorschriften sorgen muss“, erklärte Anke Fuchs. Insbesondere sei es nötig klarzustellen, nach welchen Kriterien sich die Angemessenheit von Wohnungsgröße und Mietpreis bestimmten. Auch Fragen zur Übernahme der Warmwasserkosten, der Nachzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen, der Schönheitsreparaturen usw. seien dringend zu regeln. „Der Gesetzgeber lässt die Betroffenen im Stich. Die können nicht jahrelang warten, bis die Gerichte die offenen Rechtsfragen lösen“, so Anke Fuchs.

Energieeffizienz steigern – Kostentransparenz schaffen

„Wir brauchen auf dem Wohnungssektor eine nachhaltige Steigerung der Energieeffizienz, das heißt neue energetische Baustandards und echte Transparenz auf den Wohnungsmärkten. Die im Bundeskabinett beschlossene Energieeinsparverordnung – 8. Juni im Bundesrat – ist allenfalls ein erster Schritt. Konkretisierungen und Nachbesserungen sind erforderlich“, kritisierte Anke Fuchs. 50 Prozent der Heizkosten könnten durch energetische Gebäudesanierungen eingespart werden. Klimaschutz und Steigerung der Energieeffizienz, beispielsweise durch verschärfte Neubaustandards, Vorgaben zur Sanierung und Dämmung von Gebäuden und verstärkter Einsatz von erneuerbaren Energien seien unverzichtbar. „Wichtig ist, dass Transparenz über den Energiebedarf und den energetischen Zustand von Wohngebäuden hergestellt wird. Der Energieausweis kann für die energetische Vergleichbarkeit bei der Anmietung oder dem Kauf einer Immobilie sorgen. Das ist im Interesse der Marktbeteiligten, und das schafft Anreize für den Eigentümer, energetische Verbesserungen im Gebäudebestand vorzunehmen“, erklärte die Mieterbund-Präsidentin. Umso bedauerlicher sei es, dass der von der Bundesregierung beschlossene Energieausweis auf halber Strecke stehen bleibe. „Wir brauchen einen bundeseinheitlichen bedarfsorientierten Energieausweis und nicht einen Flickenteppich von unterschiedlichen Lösungen. Wir lehnen die Wahlfreiheit zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis als Beliebigkeitslösung ab“, so Anke Fuchs.

Recht auf Wohnen

„Wir treten dafür ein, dass ein Recht auf Wohnen in die europäische Verfassung und in das Grundgesetz aufgenommen wird“, erklärte die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes. Die Wohnung sei für alle Menschen von größter Bedeutung. Sie dürfe nicht auf ihre Funktion als Wirtschaftsgut reduziert werden. Sie sei auch Sozialgut. Der Verlust der Wohnung – aus welchen Gründen auch immer – könne für die betroffenen Menschen existenzielle Folgen haben. Die Wohnung dürfe deshalb nicht nur auf ihre Unterbringungsfunktion begrenzt werden. Die Wohnung sei Lebensmittelpunkt und Ausgangspunkt für die sozialen Kontakte der Bewohner. „Wir versprechen uns von einem im Grundgesetz und in der europäischen Verfassung verankerten ‚Recht auf Wohnen’ eine soziale Rechtsgestaltung, verbunden mit der Aufforderung an den Gesetzgeber, einzelne Fragen gesetzlich zu aktualisieren bzw. zu konkretisieren“, erklärte die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes.

Quelle: Mieterbund

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